und weil es so schön war: noch einmal auf Deutsch :-)
Nach meinen – zugegebenermaßen recht knappen – englischen Wünschen für das neue Jahr, hier noch einmal eine längere, deutsche Version:Ich habe vor ein paar Jahren bei einem Essen zum Jahreswechsel ein Geschichte überreicht bekommen. Lange Zeit lag sie in meinen Unterlagen (seltsamerweise behält man so etwas dann ja doch irgendwie, auch wenn man nie ganz genau weiß warum 🙂 ). Ich wollte die Geschichte immer mal weitergeben, war aber bislang zu bequem, den Text ab zu schreiben. So ergab es sich, dass sich eben diese Geschichte online fand. Da ich sicherlich ein oder anderen vergessen würde, und eigentlich alle Leute, die mich kennen die URL zu meiner Homepage haben, nehme ich mal einfach Abstand davon, das ganze per Email zu schicken und poste es einfach hier:
Die Kupfermünze
Einmal habe ich eine Zeit lang in China gelebt. Ich war im Frühling in Shanghai angekommen, und die Hitze war mörderisch. Die Kanäle stanken zum Himmel, und immer war der ranzige, üble Geruch von Sojabohnenöl in der Luft. Ich konnte und konnte mich nicht eingewöhnen. Neben Wolkenkratzern lagen Lehmhütten, vor denen nackte Kinder im Schmutz spielten. Nachts zirpten die Zikaden im Garten und ließen mich nicht schlafen.Im Herbst kam der Taifun, und der Regen stand wie eine gläserne Wand vor den Fenstern. Ich hatte Heimweh nach Europa. Da war niemand, mit dem ich befreundet war und der sich darum kümmerte, wie mir zumute war. Ich kam mir ganz verloren vor in diesem Meer von fremden Gesichtern.Und dann kam Weihnachten. Ich wohnte bei Europäern, die chinesische Diener hatten.Der oberste von ihnen war der Koch; Ta-tse-fu, der große Herr der Küche. Er radebrechte deutsch und war der Dolmetsch zwischen mir und dem Zimmer-Kuli, dem Ofen-Kuli, dem Wäsche-Kuli und was es da sonst noch an Dienerschaft im Haus gab.Am Heiligen Abend, und ich saß wieder einmal verheult in meinem Zimmer, überreichte mir Ta-tse-fu ein Geschenk. Es war eine chinesische Kupfermünze mit einem Loch in der Mitte, und durch das Loch waren viele bunte Wollfäden gezogen und dann zu einem Zopf zusammengeflochten. “Ein sehr altes Münze”, sagte der Koch feierlich.”Und die Wollfäden gehört auch dir. Wollfäden sind von mir und mein Frau und von Zimmer-Kuli und sein Schwestern und von Eltern und Brüder von Ofen-Kuli – von uns allen sind die Wollfäden.”Ich bedankte mich sehr. Es war ein merkwürdiges Geschenk – und noch viel merkwürdiger, als ich zuerst dachte. Denn als ich die Münze mit ihrem bunten Wollzopf einem Bekannten zeigte, der seit Jahrzehnten in China lebte, erklärte er mir, was es damit für eine Bewandtnis hatte:Jeder Wollfaden war eine Stunde des Glücks.Der Koch war zu seinen Freunden gegangen und hatte sie gefragt: “Willst du von dem Glück, das dir für dein Leben vorausbestimmt ist, eine Stunde des Glücks abtreten?” Und Ofen-Kuli und Zimmer-Kuli und Wäsche-Kuli und ihre Verwandten hatten für mich, für die fremde Europäerin, einen Wollfaden gegeben als Zeichen, dass sie mir von ihrem eigenen Glück eine Stunde des Glücks schenkten.Es war ein großes Opfer, das sie brachten. Denn wenn sie auch bereit waren, auf eine Stunde ihres Glücks zu meinen Gunsten zu verzichten – es lag nicht in ihrer Macht, zu bestimmen, welche Stunde aus ihrem Leben es sein würde. Das Schicksal würde entscheiden, ob sie die Glücksstunde abtraten, in der ihnen ein reicher Verwandter sein Hab und Gut verschrieben hätte, oder ob es nur eine der vielen Stunden sein würde, in der sie glücklich beim Reiswein saßen; ob sie die Glücksstunde wegschenkten, in der das Auto, das sie sonst überfahren hätte, noch rechtzeitig bremste, oder die Stunde, in der das junge Mädchen vermählt worden wäre. Blindlings und doch mit weit offenen Augen machten sie mir, der Fremden, einen Teil ihres Lebens zum Geschenk.Nun ja – viele Chinesen sind abergläubisch. Aber ich habe nie wieder ein Weihnachtsgeschenk bekommen, das sich mit diesem hätte vergleichen lassen. Von diesem Tag an habe ich mich in China zu Hause gefühlt.Und die Münze mit dem bunten Wollzopf hat mich jahrelang begleitet. Ich habe sie nicht mehr. Eines Tages lernte ich jemanden kennen, der war noch übler dran als ich damals in Shanghai. Und da habe ich einen Wollfaden genommen, ihn zu den anderen Fäden dazugeknüpft – und habe die Münze weitergegeben.
(Joe Lederer, Von der Freundlichkeit der Menschen, München 1964)
Ich wünsche Euch allen
das Beste für das Jahr 2008!
Irgendwie ging 2007 viel zu schnell vorbei und eh man es sich versieht war das neue Jahr da! Ich hoffe, dass ich doch Zeit finden werde, den einen oder anderen mal wieder persönlich zu treffen – das hat sich ja im letzten Jahr nicht wirklich ergeben.